Geiler Song, erstklassig produziert, Dark Night, Soul, Rache – alles schien zu stimmen, als ich mich entschied „Revenge“ vorzustellen. Dann aber der Recherche-Hammer: Plötzlich tauchen Namen/Taten wie Wayne Coyne, Iggy Pop, Suzanne Vega, Dacid Lynch, Vic Chesnutt, Mark Linkous, die Plattenfirma EMI, Urheberrecht, illegale Downloads, Bastard-Produktionen, zwei Selbstmorde und eine beigelegte Leer-CD auf.
„For legal reasons, enclosed CD-R contains no music. Use it as you will“, stand auf dem Rohling – Widerstand!
Danger Mouse & Sparklehorse: Dark Night Of The Soul (Parlophone)
„For legal reasons, enclosed CD-R contains no music. Use it as you will“, stand auf dem Rohling. Burton sorgte auch dafür, dass die Musik im Internet zu finden war. Die Plattenfirma kochte: Ausgerechnet Burton, der als Danger Mouse im Internet bereits durch illegale Bastard-Produktionen wie dem „Grauen Album“ aufgefallen war, ein Mix aus Jay-Z und den Beatles, sabotierte die Veröffentlichungspolitik.
Über den Fluch der Rache
Es ist aber auch eine unberechenbare Politik: Warum wird „Dark Night Of The Soul“ nun doch veröffentlicht? Man weiß es nicht. Es handelt noch immer sich um eine verwirrende Sammlung skizzenhafter Stücke. Angefangen bei „Revenge“, wo Danger Mouse den Flaming-Lips-Sänger Wayne Coyne über den Fluch der Rache singen lässt.
Black Francis, Julian Casablancas, Iggy Pop und Suzanne Vega treten auf. Zweimal ist David Lynch, der Regisseur, zu hören; er beklagt in fiebrigen Gesängen, dass die schönsten Dinge nie zu fassen seien. Auch zu hören sind Vic Chesnutt und Mark Linkous, der unter dem Künstlernamen Sparklehorse das Album mitgestaltet hatte.
Chesnutt ist inzwischen Tod, er starb an einer Überdosis Antidepressiva. Linkous hat sich selbst ins Herz geschossen, er ist ebenfalls nicht mehr am Leben. Auf dem Album steht, es solle an zwei große Musiker erinnern. An die Abgründe der Seele.
Danger Mouse & Sparklehorse ft Wayne Coyne – Revenge (unofficial video)
Pain
I guess it’s a matter of sensation
But somehow you have a way of avoiding it all
In my mind
I have shot you and stabbed you through your heart
I just didn’t understand
The ricochet is the second part
‚Cause you can’t hide what you intend
It glows in the dark
Once you’ve sought
The path of revenge
There’s no way to stop
And the more I try to hurt you
The more it hurts me
Strange
It seems like a character mutation
Though I have all the means of bringing you fuckers down
I can’t make myself
To destroy upon command
Somehow forgiveness lets the evil make the loss
No you can’t hide what you intend
It glows in the dark
Once we’ve become the thing we dread
There’s no way to stop
And the more I try to hurt you
The more it backfires
The more that it backfires
The more that it backfires
Hier das Audio-File
LAUT.DE-KRITIK – Zynismus der besonderen Art: Erst ein Todesfall bringt EMI zum Umdenken – Review von Matthias Manthe
Anlässlich dieser Doch-noch-Veröffentlichung kommt man bei allem Gutwill nicht umhin, den Zynismus mancher Hauptakteure der Musikindustrie herauszustreichen. Mal überspitzt gefragt: Braucht es in markttechnisch so schwierigen Zeiten tatsächlich erst Tote und einen bedeutungsschwangeren Überbau, um einer zuvor hart umkämpften Platte nach mehr als einem Jahr Rechtsstreit doch noch den offiziellen Release-Segen zu geben?
Klar ist: Viele neue Freunde macht sich der aktuell schwer krisengebeutelte Major EMI mit dieser Veröffentlichungspolitik sicher nicht. Trotz betonter gegenseitiger Wertschätzung konnten sich die Plattenfirma und der gefeierte Produzent Brian „Danger Mouse“ Burton im Disput ums Urheberrecht 2009 nicht auf eine Freigabe einigen.
Videos: Das macht Danger Mouse aktuell
With A Little Help From My Fwends – Part 1
Electric Würms Interviews – Krautrock
Vorliegendes Feature-Album, für das gemeinsam mit Sparklehorse-Kopf Mark Linkous eine beeindruckende Riege an Topkünstlern verschiedenster Genres versammelt wurde, verschwand in den EMI-Katakomben, während die ladenden Produzenten Burton und Linkous einen äußerst ungewöhnlichen Weg einschlugen: Sie verkauften „Dark Night Of The Soul“ über das Internet in Form eines limitierten Bildbands – mit Fotografien von David Lynch – inklusive eines leeren CD-Rohlings.
Der interessierte Käufer sah sich also relativ unverblümt dazu angehalten, die dazugehörige Musik, die auf „mysteriösen Wegen“ in diversen Tauschbörsen aufgetaucht war, selbst herunterzuladen und auf die CD zu brennen. Jetzt und gar nicht so plötzlich hat es sich die EMI anders überlegt und gibt das Go. Aber warum? Was ist in der Zwischenzeit passiert? Ist der Rechtsstreit geklärt?
„In memory of Mark Linkous and Vic Chesnutt“
Konkretes weiß man nicht, doch lässt sich der mutmaßliche Hauptbeweggrund für die nachträgliche Herausgabe in kleinen Buchstaben auf dem Backcover ablesen: „In memory of Mark Linkous and Vic Chesnutt“ steht dort geschrieben. Linkous, erinnern wir uns, nahm sich das Leben, als er sich im März dieses Jahres vor dem Haus eines Freundes ins Herz schoss. Vic Chesnutt seinerseits, hier ebenfalls mit einem Song vertreten, verstarb bereits Ende 2009 nach einer Überdosis krampflösender Beruhigungsmittel.
Zwei von Depressionen geplagte, in der Alternativszene überaus respektierte Folkmusiker, zwei Selbsttötungen, obendrein ein aufmerksamkeitsträchtiger juristischer Konflikt und als Folge eine Platten-VÖ – wem der hier zugrundeliegende Zynismus nicht übel werden lässt, darf bei der CD-Version gerne zugreifen. Allen anderen steht es nach wie vor frei, sich die Download-Version zu besorgen.
Ein Produkt unter Starbeteilung
So oder so erhält der Kunde mit der „Dark Night“ ein Produkt unter Starbeteilung (Flaming Lips, Iggy Pop, Julian Casablancas uvm.), das zum einen aufzeigt, das künstlerische Kollaboration über die Grenzen von Country, Punkrock, schizoidem Folk und Psychedelia hinweg und unter Einbezug anderer Kunstschauplätze (Film & Foto) funktionieren kann, zum anderen ohne Schwierigkeiten als Spätwerk von Mark Linkous durchgeht.
Dessen so typische angedunkelte Melancholie, die gelegentlich in trübseligem Weltschmerz zu versinken droht, drückt allen Gastbeiträgen den atmosphärischen Stempel auf. Darüber hinaus eint Linkous‘ Stimmähnlichkeit zu den Organen von Wayne Coyne, Gruff Rhys, Jason Lytle, James Mercer (der The Shins-Sänger liefert eine der besten Performances des Albums) und Vic Chesnutt die Songs.
Psychedelisch umwehte Narkotika
Am ehesten verzichtbar bleiben hingegen die etwas forciert und unnötig breitbeinig wirkenden Features mit Black Francis und Iggy Pop, auf die allerdings schnell wieder psychedelisch umwehte Narkotika folgen, für die auch David Lynch höchstselbst gleich zweimal ans Mikro trat.
Abseits des Todeshintergrunds entpuppt sich die Teamproduktion als nokturne Abfahrt mit kurzen Hochs, deren Klasse im Aufgebot leider nicht zu 100 Prozent dem oft nur guten und selten herausragenden Gesamteindruck entspricht.
Die Socials
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